Belle Saschara, ein Engel in Frauengestalt als Gegenspieler Belsazars oder die Frage: „Wie hältst du es mit dem Heiligen?“ Vom Umgang mit sakraler Kunst.
Mitten hinein und noch recht unerfahren wird der Ich-Erzähler in das Gerangel um sakrale Kunst gestellt, der sich auf einer Dienstreise nach Dresden befindet, um in der Lukaskirche Lieder von Robert Schumann aufzunehmen, und das im ersten Frühjahr nach dem Mauerfall. Grund genug, alles Neue in sich aufzusaugen, wie auch das kürzlich eröffnete Antiquitätengeschäft in der Neustadt, das er mit Interesse betritt. Gerade in dem Moment, als er einen kupferfarbenen Kelch am Schaufenster ins Sonnenlicht hält, geht eine junge, schöne, selbstbewusste Frau vorüber, deren Haarpracht mit dem Kupferton des Kelches zu einem einzigartigen Farbton verschmilzt. Es war nur ein Augenblick, in dem beide Farben ineinander drangen. Dieser magische Moment wird nach einigem Zögern zum Entschluss, den Kelch zu erwerben.
Schon immer von einer breitgefächerten Liebe zu Antiquitäten angezogen, wird dieser Kauf in Dresden ganz allmählich zum zentralen Gegenstand seiner Sammelleidenschaft. […]
Jahre später führt den Ich-Erzähler wieder eine Aufnahme nach Dresden, diesmal zu einer Orgelaufnahme in die Hofkirche. Da tagsüber wegen der Außengeräusche und des Straßenmusikantenlärms nicht aufgenommen werden kann, hat er genügend Zeit durch Dresden zu schlendern. Und weil es eine Orgelaufnahme ist, sitzt er versonnen auf der Brühlschen Terrasse und stellt Vergleiche zwischen den beiden Kirchen an, in denen Silbermannorgeln stehen, der Hofkirche und der Frauenkirche. Und er denkt an die Schicksale der beiden Gotteshäuser und ihrer Orgeln. Auch die düsteren Gedanken der Zerstörung wollen ihm nur schwer aus dem Kopf gehen.
Langsam wird es Zeit, zur Hofkirche hinüberzugehen. Heute steht die letzte Aufnahmenacht bevor und dem Ich-Erzähler wird wehmütig ums Herz. Wann wohl wieder und ob ihm überhaupt noch einmal solch erhabene Stunden geschenkt werden würden? Mitten in der Nacht, allein mit einem begnadeten Organisten, in einer so unglaublich traditionsreichen Kathedrale, wo jedes Detail Glauben atmet, mit der Musik von Bach an einem beinahe göttlichem Instrument? Und dann in die Morgendämmerung hinein das erleichterte: „Geschafft, Gratulation! Komm gut in die ferne Heimat, wir hören voneinander.“
Als schlösse sich ein magischer Kreis in Dresden, denn diesmal steht mittlerweile ein vierter Messkelch per Inserat zum Kauf. Und der wird im Gepäck verstaut. […]